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Wenn sich Motivation in zu viel Druck umwandelt

Isa vor See mit Athleten im Wasser
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Geschrieben von Isabelle Henrich
Wissenslevel    

Wenn du ein bestimmtes Ziel erreichen möchtest, sei es im Sport, in Schule, Studium oder Beruf, sowie in der Musik, brauchst du etwas, das dich motiviert – einen Anreiz dies zu tun. So ist es hilfreich neben der eigenen Motivation auch extrinsisch (von außen) angespornt zu werden. Wenn sich allerdings die äußere Motivation in zu viel Druck umwandelt, verspürst du keinerlei Freude mehr an der Sache, die du doch vorher so geliebt hast. So ist es mir ergangen. Sei gespannt von welcher Situation ich spreche und wie ich da raus gekommen bin.

So fing alles an

Als ich damals von der Grundschule auf die weiterführende Schule wechselte, entschied ich mich für eine Sportschule in Frankfurt. In der fünften und sechsten Klasse schwamm ich bereits fünf Mal pro Woche, hinzu kam einmal Krafttraining (unter Schwimmern nannten wir es Trockentraining). Und an den Wochenenden nahmen wir an Wettkämpfen teil.

Ich kann mich noch sehr gut an meine allererste Schwimmstunde erinnern als ich nicht mehr konnte und mich der Trainer nach Hause schicken wollte, wenn ich nicht sofort weiter mache. So viel Druck war ich vom Training während der Grundschulzeit nicht gewohnt. Doch mit elf Jahren konnte ich nicht widersprechen und fügte mich. Ich tat, was von mir verlangt wurde.

Als Brustschwimmerin konnte ich mich sehr schnell für die Hessenmeisterschaften qualifizieren. An Hauptlagen-Tagen schwamm ich 4-5 km fast nur Brust. Durch eine Leistenzerrung nach 2 ½ Jahren Leistungssport musste ich die Hauptlage zu Delfin wechseln. Ich ging zu vielen Ärzten, die mir deutlich machten, dass die Zerrung nie wieder weggehen würde. Und ich habe wirklich heute noch damit zu kämpfen. Zudem „verschrieben“ sie mir nach dem Einschwimmen eine Extraeinheit „Dehnübungen und Warm Up“, was meinen Trainern nicht gefiel. Doch laut Ärzten war dies die einzige Möglichkeit, meine Schmerzen zu verringern. Ich hatte keine andere Wahl, denn manchmal wachte ich sogar weinend vor Schmerzen auf.

Priorität Schule oder Sport?

Ab der siebten Klasse erhöhte sich mein Training zu sieben Mal pro Woche und einmal Krafttraining. Davon hatten wir dreimal Frühtraining vor der Schule.

Zwei Jahre später bekamen wir einen neuen Trainer. Er stellte den Sport über die Schule und verstand nicht, wenn wir das Training aufgrund einer Klausur ausfallen lassen mussten. Wir bekamen des Öfteren negative Kommentare über unseren Schwimmstil anstatt Lob zu hören, was den Druck von Mal zu Mal erhöhte.

Zur Oberstufe hin stagnierte meine Leistung. Die Schulaufgaben und Klausuren vermehrten sich, jeden Tag Training und am Wochenende Wettkämpfe. Ich war jung und top organisiert, daher konnte ich Vieles gut wegstecken. Doch als sich in der zehnten Klasse meine Zeiten kaum bis gar nicht verbesserten und ich mich erschöpft fühlte, fragte ich mich, warum und wofür ich das überhaupt mache und was ich in meinem Leben erreichen möchte.

Als Jugendlicher möchte man doch die Sau raus lassen?!

Die Interessen verschoben sich in der Pubertät. Als ich im Training oft angemeckert wurde, kaum Positives hörte, die Leistung kaum voran ging, dann wurden einfach die Zweifel immer größer. Ich ging mit meinen Freunden oft weg, auf Feste oder Hauspartys, wir hatten echt viel Spaß.

Doch als Leistungssportlerin mussten manche Sachen zurückgestellt werden. Und beim Schwimmen war mir klar, dass ich es nie zu Olympia schaffen werde. Ich war doch auch zu klein, um oben mitspielen zu können. Dazu kommt, dass Schwimmer auch auf höherem Niveau kaum Geld verdienen. Ich wollte nicht mein ganzes Leben dem Sport unterordnen. Doch das wurde mir erst in dieser harten Phase klar. In der Zeit als ich weinend in dem Zimmer meiner Mutter stand und ihr berichtete, dass ich die Lust an dem Sport verlor, der lange ein Teil meines Lebens darstellte. Es war meine große Leidenschaft.

Es ging so weit, dass meine Freunde und ich sogar Training schwänzen wollten. Wir wollten tanzen, die Sau raus lassen.

Du hast die Wahl

Ende der zehnten Klasse stellte unser Trainer uns die Wahl: Entweder wir widmen uns zu 100% dem Schwimmen und stellen den Sport vor die Schule oder wir hören mit dem Leistungssport auf. Für mich und auch einige andere Freunde war klar:

Schluss damit. Wir hören auf!

Diese Entscheidung tat gut. Ich fühlte mich befreit und war stolz auf mich diesen Schritt gegangen zu sein. Ein halbes Jahr schwamm ich gar nicht und tat alles, was mir Spaß machte, bis ich merkte, dass mir doch etwas fehlte.

Rettungsschwimmen als gute Alternative

Ich ging zurück zum Rettungsschwimmen und trainierte mit ein paar Jungs in meinem Alter. Das tat mir gut und brachte mir die lang ersehnte Freude am Sport zurück.

Ich durfte auch Mal sagen, dass ich keine Lust auf Training hatte und es machte niemandem etwas aus. Es war in Ordnung, eine Trainingseinheit ausfallen zu lassen.

Wir waren ein gutes Team. Es stand immer der Spaß im Vordergrund und trotzdem waren wir schnell und gewannen Pokale. Meine Lebensfreude kam zurück und vor allem die Freude am Schwimmen. Genau dadurch verbesserte ich mich wieder und durfte sogar Wettkämpfe im DLRG-Hessenkader bestreiten.

Rückblick

Jetzt mache ich Triathlon. Einen Sport, bei dem ich viele neue Ziele erreichen und mich insbesondere in den zwei anderen Sportarten verbessern kann.

Aber das Ausschlaggebende, warum ich mich für den Triathlon entschied ist, dass ich keinerlei Druck mehr von außen bekomme. Ich selbst mache mir den Druck, den ich brauche. Niemand schreibt mir etwas vor. Und das ist ein entscheidender Punkt.

Rückblickend hat mich meine Leistungsschwimmzeit sehr weit gebracht. Ich habe gelernt mich perfekt zu organisieren und habe mir eine Grundlage im Schwimmen geschaffen, die mich auch im Triathlon weiter bringt. Die negativen Erfahrungen waren zwar zu dem Zeitpunkt sehr schwer. Doch konnte ich daraus ebenso viel lernen. Und ich weiß nun was ich will und was mir gut tut. Sobald ich anfange mehr als dreimal die Woche zu schwimmen, verliere ich wieder die Lust daran. Ich merke, dass zweimal wöchentlich mir völlig ausreicht und mich glücklich macht.

Ich lasse mir nichts mehr vorschreiben und entscheide selbst, was ich für richtig halte. Und das solltest auch du dir immer vor Augen führen.

Was macht dich wirklich glücklich? Warum machst du den Sport? Nicht für andere, sondern weil DU ihn liebst.

Und warum erzähle ich dir meine Geschichte? Weil ich dir zeigen möchte, dass der Weg eben steinig sein kann und es viele Höhen und Tiefen im Leben geben kann. Doch es ist wichtig, dass du daraus lernst und versucht deinen eigenen Weg zu finden. Meine Geschichte ist eine von Vielen und lässt sich auf viele Bereiche übertragen. Überlege dir, was du aus deiner Geschichte machen willst, womit du zufrieden bist und versuche lediglich ein gesundes Maß an äußerem Druck zuzulassen.

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