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IRONMAN Frankfurt: Heimrennen voller Emotionen

IRONMAN Frankfurt - Zieleinlauf
Avatar von Isabelle Henrich
Geschrieben von Isabelle Henrich
Wissenslevel    

Mir fallen nicht viele Worte ein, wie ich den längsten Tag meines Lebens beschreiben soll. Ich bin sprachlos, überwältigt, kann es nicht fassen, was ich an diesem Tag geleistet habe. Mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich über meine erste Langdistanz nachdenke und ich könnte die ganze Welt umarmen. Doch wie begann denn nun mein härtester Tag des Jahres?

Einchecken: Habe ich an alles gedacht?

Die Nervosität stieg von Woche zu Woche an. Als ich allerdings am Freitag vor dem Wettkampf bei der Startunterlagenausgabe stand und die Unterlagen abholte, fing mein Herz noch schneller an zu schlagen. Nun gab es wirklich kein Zurück mehr. Ich musste mich meiner neuen Herausforderung stellen und war auch bereit dafür.

Durch die darauffolgende Wettkampfbesprechung stieg meine Nervosität weiter an. Denn sie fand auf den Tribünen am Römerberg, also beim Zieleinlauf, statt.

Am Samstag musste ich all meine Sachen fürs restliche Wochenende packen. Die Angst, etwas zu vergessen, wurde immer größer, obwohl ich alles mehrmals mit meinem Freund durchgegangen bin. Aber dieses negative Gefühl konnte ich einfach nicht von mir abschütteln. Gemeinsam mit meiner Freundin Maike, die extra aus Stuttgart anreiste, und meinem Motivator Mo machten wir uns auf den Weg zum Rad-Check-In. Mein Beutel und Rad durfte ich an einen für mich perfekten Platz positionieren, was meinen Wettkampf durchaus erleichterte. Bisher brachte mich noch nichts aus der Ruhe, nichtmal der ewig lange Weg durch die Wechselzone.

Early Bird Morning

Von neun Uhr abends bis 2 Uhr morgens hatte ich gut geschlafen, die letzten zwei Stunden bekam ich allerdings kein Auge mehr zu. Um vier Uhr stand ich auf, um letzte Vorbereitungen zu treffen und alles nochmal durchzugehen. Ich hatte noch nie so eine Angst einen Platten zu bekommen. Ich musste versuchen positiv zu denken. Um fünf Uhr fuhr ich mit mehreren Freunden zum See. Dann hieß es erst einmal Laufräder aufpumpen und Verpflegung am Rad verstauen, Banane essen, Gel zu mir nehmen, Schultern lockern, Neo anziehen, meine Gedanken sortieren und bereit machen. Und dann nur noch den geeigneten Startplatz suchen.

IRONMAN Frankfurt - Vor dem Start

IRONMAN Frankfurt – Vor dem Start, Photo by Daniel Nahrhold

Schwimmen: Zwischen Nervosität, Orientierung und Gas geben

“Um mich herum nur große Menschen. Wo muss ich hin? Gefühlt stehen schon alle bereit. Der Startschuss der Profis ist gefallen, puh, dann habe ich doch noch etwas Zeit. Die Leute um mich herum machen mich noch nervöser. Wo ist denn nun meine Startgruppe? Ich sehe nur Menschen.” Endlich gefunden, versuchte ich mich in der schnellsten Startgruppe (<1h) nach vorne zu angeln. Ich entdeckte eine Lücke, wo ich mich durch Armkreisen gut aufwärmen konnte und entschied, dort stehen zu bleiben.

3-2-1… Peng. Die große Reise beginnt.

IRONMAN Frankfurt - Schwimmen

IRONMAN Frankfurt – Schwimmen, Photo by Daniel Nahrhold

Nacheinander wurden zehn Athleten ins Wasser gelassen. Ich brauchte ca. drei Minuten bis ich bei meiner stärksten Disziplin zeigen konnte, was in mir steckt. Trotz Rolling-Start waren total viele Triathleten um mich herum. Ich musste erst einmal meinen Rhythmus finden und mir einen geeigneten Wasserschatten suchen. Das war leider nicht so leicht, da mir keine Geschwindigkeit zusagte. Ich angelte mich von Gruppe zu Gruppe weiter voran und fragte mich, warum ich so viele Leute überholen musste. Ich war doch schon weit vorne unterwegs.

In Frankfurt wird die Schwimmstrecke von einem kurzen Landgang unterbrochen, bevor man endgültig in die Wechselzone kommt. Die Strecke Richtung Landgang war schrecklich. Auf einmal stürmten Wellen auf mich zu. War ich doch im Meer gelandet? Ich schluckte viel Wasser, ließ mich aber davon nicht aus der Ruhe bringen. Zudem blendete die Sonne so stark, sodass ich nicht sah, wolang ich schwimmen musste. Es blieben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder stehenbleiben, Boje anpeilen und darauf los schwimmen oder auf gut Glück irgendwelchen Leuten hinterher zu schwimmen. Ich entschied mich für die erste Variante, da ich ansonsten die Gefahr eingehen musste, zu viele zusätzliche Meter zurückzulegen.

Der Landgang kam immer näher und ich war froh endlich wieder richtig sehen zu können. Ich stand auf und versuchte Stabilität in den Beinen zu finden. Es lagen viele Steine herum, die sich in meine Füße bohrten. Super für meine Schienbein-Problematik. Deshalb bewegte ich mich langsam und achtsam über den Landgang wieder ins Wasser hinein. Einfach noch kein Risiko eingehen, die Füße brauche ich noch.

Auf dem zweiten Teil wurde die riesige Gruppe vom Anfang entzerrt und ich war glücklich zwischendurch alleine schwimmen zu dürfen. Keiner, der mich stört, einfach mein Ding durchziehen. Meine Technik fühlte sich gut und kraftvoll an, sodass ich das Tempo erhöhen konnte.

Ich kam dem Schwimmausstieg näher, sammelte meine Gedanken und ging den Ablauf in der Wechselzone durch. Nach 1:00:20 Stunde kam ich aus dem Wasser und kam noch relativ entspannt und mit genügend Kraft in die Wechselzone. Ich hatte mich nicht verausgabt und war größtenteils kontrolliert und konstant geschwommen, besonders in der zweiten Runde.

IRONMAN Frankfurt - Schwimmausstieg

IRONMAN Frankfurt – Schwimmausstieg, Photo by Daniel Nahrhold

Erster Marathon bereits in der Wechselzone

In der ewig langen Wechselzone versuche ich mich nicht stressen zu lassen. Ich achtete auf meinen Laufweg und wollte die Ruhe bewahren, denn der Tag war noch lang. Hektik konnte ich am Anfang nicht gebrauchen. Ich fand meinen Beutel und mein Rad ohne Probleme und konnte mich zur nächsten Disziplin aufmachen.

Radfahren: Highlight des Tages

Ich versuchte das Radfahren mit einer hohen Frequenz zu starten, um nicht meine ganze Kraft bereits am Anfang auf der Strecke zu lassen. Ich wurde durchgehend in der ersten 90km-Runde überholt, die Männer rasten an mir vorbei, sodass ich keine Chance hatte an ihnen dran zu bleiben.
Und weisst du, worauf ich trotzdem ziemlich stolz bin? Mir hat es einfach gar nicht ausgemacht, dass mich so viele überholten. Ich hörte auf mein Körpergefühl und war davon überzeugt, dass das Tempo zu dem Zeitpunkt genau das Richtige war. Und ich konnte zwischendurch auch strahlen und die Strecke genießen. Trotz windiger Passagen hatte ich wirklich viel Spaß.

Mein Freund Flo, Max und Maike waren mit dem Motorrad unterwegs und stellten sich an verschiedene Stellen auf, um mich anzufeuern und Bilder zu machen. Dies motivierte mich umso mehr, auch wenn ich sie manchmal erst zu spät wahrnahm. Zudem entdeckte ich meine Trainerin Nicole sowie – total überraschend – meinen Kumpel Thomas, der am Berg für kurze Zeit neben mir her fuhr. Dieser Rückhalt gab mir eine derartige Kraft, sodass ich die ersten 90 km in meiner Mitteldistanz-Bestzeit fuhr. Hatte ich nicht doch zu sehr überzogen?

IRONMAN Frankfurt - Radfahren

IRONMAN Frankfurt – Radfahren

Während der gesamten Zeit auf dem Rad machte ich mir kein einziges Mal Gedanken über die Distanz von 185 Kilometern. Ich versuchte meinen Wettkampf zu fahren und nicht auf andere zu achten, denn das hätte mich nur deprimiert. Ich hatte nie einen derart schlimmen Tiefpunkt, mit dem ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Doch auch wenn bisher alles sehr positiv klingt, musste ich zwischendurch natürlich auch kämpfen.

Nach einer Runde krampfe meine linke Wade und mein rechter Fuß. Ich versuchte beides zu lockern, was auf dem Rad allerdings ziemlich schwierig war. Ich nahm Salztabletten mit Wasser, Iso und Gel zu mir und bekam meine Probleme in den Griff. Doch es war schwierig für meinen Magen die vielen Gels und das Iso zu verdauen. Somit war es nötig meine Ernährungsstrategie zu überdenken und eine “Gel-Pause” einzulegen, um meinen Magen zu beruhigen. Auch mein Rücken machte sich immer mehr bemerkbar, doch diese Schmerzen konnte ich gut aushalten.

IRONMAN Frankfurt - Radfahren

IRONMAN Frankfurt – Radfahren

Die letzten Meter dehnte ich meine Hüfte und machte mich bereit für die letzte Disziplin. Einfach Hammer, ich hatte es ohne technischen Defekt an den Main geschafft. Und: Ich bin einfach einen Schnitt von 30,25 km/h gefahren. Das ist eine Zeit von 6:09:14 Stunden. Wenn ich überlege, wie ich in meinen Triathlon-Anfängen mit dem Radfahren verzweifelt bin, zeigt dieses Ergebnis den Fortschritt meiner harten Arbeit.

IRONMAN Frankfurt - Radfahren

IRONMAN Frankfurt – Radfahren

IRONMAN Frankfurt - Radfahren

IRONMAN Frankfurt – Radfahren

Laufen: Viel Motivation bei meinem allergrößten Kampf

Es war vorhersehbar, dass das Laufen ein Kampf werden wird und die Mädels in meiner Altersklassen in der letzten Disziplin aufholen werden. Die ersten Schritte haben sich gut angefühlt. Ich lief aus der Wechselzone heraus und entdeckte erste bekannte Gesichter, die mich anbrüllten und mir selbstgemalte Bilder entgegenhielten. Ich war begeistert, die vielen freudigen Leute zu sehen, die zu mir hielten und an mich glaubten.

IRONMAN Frankfurt - Laufen

IRONMAN Frankfurt – Laufen

In der ersten Runde hatte ich noch sehr viel Kraft in den Beinen, dagegen verschlimmerten sich mein Seitenstechen und meine Magenschmerzen. Vermutlich lag es doch an dem Iso-Gel-Mix vom Rad. Die zweite Runde war eine Qual. Ich ging auf Toilette, doch es half nichts. Ich kämpfte mich weiter voran, ging nochmal auf Toilette und versuchte kurz zur Ruhe zu kommen. Danach ging es mir besser. Die dritte Runde konnte ich größtenteils durch traben, laufen konnte man es nicht mehr nennen.

IRONMAN Frankfurt - Laufen

IRONMAN Frankfurt – Laufen

Da ich aufgrund meiner Schienbeinprobleme zwei Monate nicht laufen konnte, machten sich meine Beine ab Runde drei immer schlimmer bemerkbar. Es schmerzte von der Leiste bis in die Zehenspitzen – und das ist nicht übertrieben. In der vierten Runde machte mein Kopf dicht und ich wollte keinen Meter mehr laufen. Ich hatte höllische Schmerzen, aber was kann ich anderes erwarten, wenn ich so lange auch nicht gelaufen bin. Das Positive allerdings war, dass mein Schienbein selbst während des Laufens kaum weh tat und sich erst in Runde vier meldete.

Der Zielkanal in erreichbarer Nähe

Das Ziel war  fast in Sichtweite und mir war klar, das aufgeben keine Möglichkeit mehr darstellte. Ich konnte nun allen und vor allem mir selbst beweisen, dass ich es schaffen kann. Ich wurde in Richtung roten Teppich gewunken. Nach vier Runden, bei denen ich jedesmal an dem Ausgang vorbeilief, durfte ich endlich abbiegen.

IRONMAN Frankfurt - Zieleinlauf

IRONMAN Frankfurt – Zieleinlauf, Photo by Daniel Nahrhold

Ich war den Tränen nahe, all die große Last und der Kampf auf der Laufstrecke fiel von mir ab. Alle Leute jubelten mir zu und freuten sich mit mir. Ich klatschte meine Freunde ab, die all meine Emotionen aufnahmen. Ich genoss den Moment, denn die Zeit war eh schon egal geworden.

Isabelle. You are an Ironman

IRONMAN Frankfurt - Zieleinlauf

IRONMAN Frankfurt – Zieleinlauf, Photo by Daniel Nahrhold

In 12:47:28 Stunden hatte ich es geschafft, mit einer Laufzeit von 5:29:01 Stunden. Ein großes Highlight war, dass Maren, mit der ich meine erste Mitteldistanz bestritt, mir die Medaille überreichte und gemeinsam mit Max hinter dem Ziel auf mich warteten.

Ohne euch sind solche Leistungen nicht möglich

Ich bin in meiner ersten Langdistanz total über mich hinaus gewachsen. Schwimmen und Radfahren liefen einfach super. Ich hatte mir bereits vor dem Wettkampf vorgenommen nicht zu sehr an die vielen Kilometer zu denken, die ich fahren und laufen musste. Und ich hätte nie gedacht, dass mir das so gut gelingt. Auch mental war ich in der Form meines Lebens.

Beim Laufen wurde es eine Qual und ich hätte es nicht ohne die Hilfe meiner Freunde, Bekannten und Familie sowie all den anderen Zuschauern geschafft. Ihr habt mich, besonders bei der letzten Disziplin, angefeuert, motiviert, mir Tipps gegeben. Alle paar Meter standen Leute, die ich kannte und die an mich glaubten. Wirklich niemand sagte mir, dass ich aufhören soll und dafür bin ich unglaublich dankbar.

Abschließend möchte ich mich nochmal bei allen bedanken, die mich bereits bei meinen Vorbereitungen unterstützt und das ganze Wochenende mit mir verbracht haben. Zudem danke an die Leute, die beim Schwimmstart und Radfahren dabei waren, aber auch alle, die beim Laufen dazu gestoßen sind. Besonderen Dank an meine Freunde, die sich die Mühe gemacht haben von außerhalb wegen meinem großen Tag anzureisen und an die tollen motivierenden Plakate.

Es ist sicherlich nicht selbstverständlich, für eine Person so viel Zeit aufzuopfern. Ich weiß es sehr zu schätzen und bin immer noch überwältigt von den ganzen Glückwünschen und lieben Kommentaren. Ohne euch alle wäre es nicht so gut möglich gewesen.

IRONMAN Frankfurt - Isa im Ziel

IRONMAN Frankfurt – Isa im Ziel



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