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Motivation

Mental Fit im Triathlon-Wettkampf – ein Gedankenspiel

IRONMAN Frankfurt - Schwimmen
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Geschrieben von Isabelle Henrich
Wissenslevel    

Egal welche Distanz du im Triathlon bestreitest, jeder hat es schon erlebt – die Höhen und Tiefen in einem Wettkampf. Es läuft nicht so, wie du es dir vorstellst. Deine Waden fangen zu krampfen an. Dein Magen möchte kein Gel mehr aufnehmen. Ein anderer Triathlet blockt dich oder überholt dich in einer Kurve. Oder du hattest einfach andere Erwartungen an deine Leistung.

Ich habe seit meinen sechs Jahren Triathlon auch schon einiges miterlebt. Ich möchte dich gerne in mein Gedankenspiel mitnehmen, wie ich mich in schweren Situationen gefühlt habe und dort wieder herausgekommen bin. In diesem Gedankenspiel habe ich viele der frustrierendsten Situationen aus meinen bisherigen Wettkämpfen zusammengefügt.

Vorstartnervosität

Ich stehe am See, nur noch zehn Minuten bis zum Start. Habe ich wirklich an alles gedacht? Liegt alles Wichtige in der Wechselzone? Habe ich mein Ventil richtig zugedreht?

Oh mein Gott, was, wenn ich einen Platten bekomme oder irgendeinen anderen Defekt? Dann wäre ich total aufgeschmissen. Ich fühle mich technisch nicht wissend genug, etwas zu reparieren. Schon gar nicht unter Nervosität. Dann steige ich aus. Ja dann war alles umsonst. Das ganze Training, die weite Anreise, das Startgeld. Nein daran möchte ich gar nicht denken. Ich bin gut vorbereitet, habe mein Fahrrad mehrmals durchgecheckt. Es wird schon gut gehen.

Okay. Zurück zum See. Jetzt erst einmal schwimmen. Das kann ich. Noch ein bisschen Armkreisen und dann geht es los. Hektik bricht aus. Ich wollte mich doch eigentlich noch weiter nach vorne stellen. Mist jetzt stehe ich doch zu weit hinten und muss überholen. Und das kostet Kraft, viel Kraft.

Ich versuche mich zu beruhigen, meine Gedanken ins Positive zu lenken und mich nicht aus der Ruhe zu bringen.

Einfach Schwimmen

Ich gehe ins Wasser hinein und versinke fast im Boden. Der schlammige Boden gibt nach. Mit zwei Delfinsprüngen springe ich ins Getümmel und ich hatte recht. Zu viele Leute um mich herum und ich fange an zu überholen. Ich fühle mich schwach, schwimme von Gruppe zu Gruppe weiter voran. Jetzt kann ich in meiner stärksten Disziplin doch nicht zeigen, was ich kann. Viel Slalomschwimmen verschlechtert die Zeit. Und darauf schauen doch alle. Oder etwa nicht?

Egal. Ich kann jetzt eh nichts mehr an der Situation ändern. Ich versuche das Tempo zu erhöhen. Die Orientierung zu behalten und den Rest einfach durchzuziehen.

Ca. 100 Meter vor der Wechselzone versuche ich den Ablauf und den Weg gedanklich durchzugehen. Noch einmal das Tempo erhöhen, konzentriert bleiben und gleichmäßig atmen.

Ich komme trotz der negativen Gedanken doch dort aus dem Wasser, wo ich es mir gewünscht habe.

Überholmanöver und Chaos auf der Radstrecke

Ich laufe durch die Wechselzone und versuche mich auf jeden Schritt zu konzentrieren. Ich werde von den ersten Triathleten überholt. Oh man, wechseln muss ich echt noch üben.

Ich steige etwas holprig auf mein Rad und freue mich auf die nächste Disziplin. Nach knapp 15 Kilometern ist die Stimmung allerdings betrübt.

Andauernd werde ich überholt. Ich kann mit niemandem mithalten. Bin ich denn wirklich so schlecht? Ein Berg ist in Aussicht. Ich versuche kurz im Stehen zu treten, um mehr Tempo auf die Straße zu bringen. Schnell merke ich, dass keine Kraft vorhanden ist und setze mich wieder auf den Sattel. Echt deprimierend.

Kurz danach eine 90 Grad Kurve. Ich konzentriere mich, nicht zu schnell und bedacht in die Kurve zu fahren. Anscheinend zu langsam für die rasenden Männer. Innen und außen werde ich überholt und werde fast geschnitten. Das kann doch nicht wahr sein. Man muss doch aufeinander Rücksicht nehmen!

Durch die vielen negativen Gedanken in meinem Kopf stagniert meine Leistung noch mehr. Mein Kopf macht meinen Körper kaputt. Ich will einfach nur noch auf die Laufstrecke. Es reicht. Warum tue ich das überhaupt? Ich werde mich nie wieder für einen Triathlon anmelden.

Mit Selbstgesprächen die Gedanken ins Positive lenken

Doch es hat keinen Sinn. Ich befinde mich auf der Hälfte der Radstrecke und muss da jetzt durch. Umdrehen geht nicht. Immer wieder versuche ich meine Gedanken zu lenken bis mir bewusst wird, wie viel Schwachsinn in meinem Kopf vorgeht.

Mental Fit im Triathlon

Mental Fit im Triathlon: Aus Tiefpunkten herauskommen

Ich bin toll. Es haben mich doch fast nur Männer überholt. Darunter waren vielleicht drei Frauen. Und außerdem: Ich war doch besser im Schwimmen gewesen als anfangs erwartet. Besser, als die ganzen muskulösen Männer mit besserem Material. Und bestimmt machen sie schon länger Triathlon als ich.

Mit einigen Argumenten verarsche ich mich selbst. Aber irgendwie macht es mich stolz, schneller als sie geschwommen zu sein. Und wenn ich dadurch wieder positive Gedanken bekomme, dann muss ich mich eben weiter anschwindeln oder Situationen übertreiben.

Mich aufbauen, motivieren – alles spielt sich im Kopf ab

Ich rufe mir ein Lied aus der Kindheit in den Kopf. Damals hat es mir in schwierigen Situationen sehr geholfen und mich motiviert:

„Ich schaff das schon, ich schaff das schon, ich schaff das ganz alleine. Ich komm bestimmt, ich komm bestimmt auch wieder auf die Beine. Ich brauch dazu, ich brauch dazu vielleicht ne Menge Kraft. Doch ich hab ganz bestimmt, schon ganz was anderes geschafft. Doch ich hab ganz bestimmt schon ganz was anderes geschafft.“ (von Rolf Zuckowski)

Und ja. Ich habe wirklich schon ganz was anderes geschafft. Ich erinnere mich an Situationen aus der Vergangenheit, in denen ich deprimiert und traurig war oder einfach etwas nicht so lief wie erhofft. Und wie ich aus der Situation herauskam. Das muntert mich auf. Dabei konzentriere ich mich besonders darauf, wie ich aus schwierigen Situationen herausgekommen bin.

Ich spüre wie Energie durch meinen Körper fließt. Komm jetzt gib nochmal Gas. Du kannst das doch. Und es geht wieder.

Die Hitze auf der Laufstrecke

Ich bin motiviert, habe Lust auf die letzte Disziplin und weiß, dass ich es schaffen kann. Ich kann die Ersten wieder überholen, was Glückshormone in mir ausschüttet. Allerdings bin ich zu schnell losgelaufen und bekomme Seitenstechen.

Langsam weiter, ruhig atmen, gute Technik beibehalten. Ich konzentriere mich auf meine Körperhaltung, an der Verpflegungsstelle mache ich langsamer.

Mental Fit im Triathlon: Rückschläge beim Laufen

Mental Fit im Triathlon: Rückschläge beim Laufen

Die Hitze wird immer mehr und ich habe das Gefühl, dass mein mein Kopf gleich platzt. Ähnlich wie beim Radfahren versuche ich mich durch Selbstgespräche zu motivieren. Ich treffe einen Bekannten, der mir zusätzlich zuruft: “Weiter so. Du siehst gut aus. Du liegst super in der Zeit. Bloß nicht aufgeben.”

Auch wenn ich genau weiß, dass all die Sprüche nicht stimmen können. Ich freue mich darüber meine Bekannten zu sehen und in dem Moment glaube ich ihnen auch. Ja nicht aufgeben. Ich möchte die Ziellinie durchqueren.

Die Hitze ist unerträglich. Ich sage mir, nur nicht aufhören. Einfach langsamer machen, die Zeit ist egal geworden. Ich möchte ins Ziel. Deshalb versuche ich mich zu kühlen, ruhig zu bleiben und die Seitenstechen in den Griff zu kriegen.

Mental Fit im Triathlon: Rückschläge auf der Laufstrecke

Mental Fit im Triathlon: Rückschläge auf der Laufstrecke

Ich bin zu sehr mit diesen Dingen beschäftigt, sodass ich gar nicht merke, dass ich gleich fertig bin.

Glücksgefühle hinter der Ziellinie

Der Gedanke ans Ziel, lässt mir meine letzten Kräfte mobilisieren. Jawohl. Ich habe es wirklich geschafft. Glücksgefühle überschütten mich.

Meine Freunde nehmen mich in den Arm, beglückwünschen mich. Ich habe es tatsächlich aufs Treppchen in meiner Altersklasse geschafft.

Mir wird bewusst wie verrückt die Gedanken sich während einem Wettkampf ändern können. So schlecht wie ich dachte bin ich doch gar nicht. Alle Selbstzweifel, die ich hatte, sind weg. Und so melde ich mich sofort für den nächsten Triathlon an.

Emotionen kontrollierbar machen

Während einem Wettkampf gehen dir viele verschiedene Gedanken durch den Kopf. Natürlich kommt es darauf an, welche Distanz du bestreitest. Aber das Gedankenspiel ist trotzdem dasselbe. Jeder geht durch Tiefpunkte in einem Wettkampf. Es kommt nur darauf an, wie du dort wieder herauskommst.

Von Wettkampf zu Wettkampf wurde ich mental fitter. Ich habe es im Training geübt wie ich mich aus schlechten Situationen herausbringen kann. Dazu bin ich bewusst vor meiner ersten Langdistanz 170 Kilometer alleine gefahren, da mir im Wettkampf auch niemand zu Hilfe kommt und ich dadurch meinen Kopf am besten trainieren konnte.

Bei meinen ersten Triathlon-Wettkämpfen habe ich mich verrückt gemacht und hatte viele Selbstzweifel. Doch ich habe von Mal zu Mal sehr dazu gelernt. Nun bin ich mental sehr stark geworden.

Klar hatte ich auch viele positive Momente im Triathlon. Und es ist auch ganz normal, wenn du Tiefpunkte erleidest. Doch es lohnt sich an deiner mentalen Stärke zu arbeiten, um dich im Wettkampf weiter voranzubringen. Und eben nicht so schnell aufzugeben.

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